Inklusion: Das Bezirksamt Hamburg-Nord mehr als barrierefrei
Der Weg ins Bezirksamt für Menschen mit Handicap soll einfacher werden. Aber das ist nicht alles. Die Verwaltung plant mit externer Unterstützung neben barrierefreien Zugängen ein inklusives Leit- und Orientierungssystem. Es soll alle Menschen unterstützen, ohne fremde Hilfe ihren Ansprechpartner zu erreichen - zunächst im Gebäude Kümmellstraße 5-7. Eine Pilotfläche beim Standesamt und im Eingangsbereich zum großen Sitzungsaal der Bezirksversammlung vereint jetzt exemplarisch unterschiedliche Systeme, die Menschen mit Beeinträchtigungen Hilfestellung bieten.
Die Macher üben sich im Doppel-Spagat zwischen Inklusion, DIN-Norm und Denkmalschutz. Das Testfeld beginnt draußen mit einer zwei Meter großen Stele, die in weißer Schrift auf blauem Grund zweisprachig eine Erstorientierung gibt. Wer sein Smartphone im Gepäck hat, sollte hier bereits die App „MindTags“ starten. Denn das digitale Leitsystem beschreibt in den nächsten Minuten akustisch und per Grafik, wo man sich im Gebäude befindet. In Kniehöhe findet sich im Kleingedruckten ein Hinweis auf den „Haupteingang“ (h=ca. 70 cm). In einem Update soll es dafür größere Schrift geben. Neben der Stele gibt es derzeit noch ein vier Zentimeter hohes Mäuerchen, da hier die Grünanlage zu Ende geht. „Die Stolperfalle wird zeitnah beseitigt“, verspricht ein Planer.
Richtung Saal und Standesamt leiten taktile Linien die sehbeeinträchtigten BesucherInnen. Diese Linien werden zeitweise durch Noppenstreifen unterbrochen. Karsten Warnke vom Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburgs äußert Kritik: „Ein Noppenstreifen quer über einen Fußweg bedeutet, dass hier eine Querung ist oder eine Bushaltestelle. Beides ist im Eingangsbereich nicht vorhanden“. Es sollte ein Auffindestreifen aus Rippen verlegt werden, um einem in diesem Fall Langstockläufer den Zugang zum Bezirksamt signalisieren zu können. Der Garderobenraum indes ist heller beleuchtet als früher. Die Toilettenschilder wurden durch Brailleschrift ergänzt.
Wer sich im Gang des Standesamtes befindet, bekommt neben den Bürotüren per QR-Code auf dem Smartphone optische und mehr-sprachliche Informationen, wer in dem Büro arbeitet und wie die/der MitarbeiterIn zu erreichen ist. Und Formulare kann man sich auch gleich digital bestellen.
An der Wand haben die PlanerInnen neue erhabene Wegweiser zu Toiletten vorgestellt- blau auf weißem Grund. Allerdings haben die dargestellten Männlein und Weiblein keine Arme und weichen so von den üblichen Toiletten-Piktogrammen erheblich ab. Warnke: „Das ist nur Design.“ Wo bleibt der notwendige Wiedererkennungswert für Menschen mit Wahrnehmungsproblemen?
Schon vor 2,5 Jahren hat die Bezirksversammlung Hamburg-Nord ein Konzept für ein Inklusives Bezirksamt vorgelegt und 120 000 Euro bewilligt. Die Gesamtkosten werden bei ca. 1,7 Mio Euro liegen. Zwischenzeitlich hat die Projektgruppe unterschiedliche Fragen entwickelt: welche Hilfe braucht der Mensch im Rollstuhl? Was nützt der Besucherin mit geringen Deutschkenntnisse? Welche Unterstützung dient dem Schwerhörigen? Großer Respekt vor der Gruppe, die bisher versucht hat, die diversen Anforderungen unter einen Hut zu bekommen! Doch nun muss Finetuning folgen! Die Erfahrungen mit den Pilotflächen durch MitarbeiterInnen, BesucherInnen des Hauses und Vereine sollen gesammelt und ausgewertet werden, außerdem werden Besucherinnen und Vereine befragt.
Text und Bilder: Hans Loose - Januar 2019