Helene Lange
Sie gilt als eine der bekanntesten Repräsentantinnen der bürgerlich-gemäßigten Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts. Das Helene-Lange-Gymnasium in Harvestehude sowie die Helene-Lange-Straße im Bezirk Eimsbüttel sind nach ihr benannt.
Helene wurde 1848 in Oldenburg geboren. In ihrem Elternhaus erhielt das Mädchen eine ungewöhnlich liberale Erziehung, das änderte sich jedoch schlagartig mit dem Tod des Vaters 1864. In ihrem Buch „Lebenserinnerungen“ (Berlin, 1921) beschwert sie sich bitterlich über ihr ödes Dasein als Haustochter bei ihrem Vormund: „Der geistige Bedarf wurde durch eine gründliche Erörterung bevorstehender oder schon erledigter Bälle oder sonstiger gesellschaftlicher Veranstaltungen, Verlobungen oder Verlobungsmöglichkeiten gedeckt. Wenn man bedenkt, daß so oder ähnlich das Dasein ungezählter junger weiblicher Wesen in der ‚Wartezeit’ ausgefüllt wurde, kann einen noch nachträglich das Grauen ergreifen bei dem Gedanken an die Unsumme vergeudeter Energien und Wirkungsmöglichkeiten.“ (S. 87/88). Die kluge junge Frau wollte nicht akzeptieren, dass sie auf Grund ihres Geschlechts von intellektuellen Diskursen ausgeschlossen wurde und so begann ihr Leben als Frauenrechtlerin. 1871 absolvierte sie das Lehrerinnenexamen in Berlin und arbeitete fortan als Hauslehrerin. In privater Initiative organisierte sie gemeinsam mit anderen Frauenrechtlerinnen den Aufbau von Real- und Gymnasialkursen für Mädchen, 1896 legten erstmals 6 ihrer Schülerinnen als Externe die Reifeprüfung ab. Ab 1893 gehörte Lange dem Vorstand des Allgemeiner Deutscher Frauenvereins an, der die Verbesserung der gesellschaftlichen Situation von Frauen durch Bildung zum Ziel hatte. In ihrer viel beachteten Publikation „Gelbe Broschüre“, kritisierte die Lehrerin heftig die Lehrinhalte für Mädchen, die bis dato nur darauf ausgerichtet waren, sie auf ihr zukünftiges Leben als müßige Ehefrauen an der Seite ihres Mannes vorzubereiten. Sie forderte eine gleichwertige Bildung für Jungen und Mädchen und verwahrte sich gegen die vorherrschende Einstellung, dass das weibliche Geschlecht „zu jeder Form logischen Denkens unbegabt“ sei. Der Unterricht sollte von Lehrerinnen gestaltet werden und nicht nur von Männern, die Mädchen für „inferior“ und „urteilsunfähig“ hielten.
Als Anhängerin der bürgerlichen Frauenbewegung vertrat Helene Lange die Auffassung, dass es einen natürlichen Wesensunterschied zwischen Mann und Frau gibt. „Während der Mann die äußere Welt erforscht und umgestaltet, sie nach seinem Sinn und Willen modelt, Zeit, Raum und Stoff zu zwingen versucht, liegt vorzugsweise in unserer Hand die Erziehung der werdenden Menschheit, die Pflege der edlen Eigenschaften, die den Menschen zum Menschen machen: Sittlichkeit, Liebe, Gottesfurcht.“(Gelbe Broschüre) Für sie war die Mütterlichkeit „die Wesensbestimmung der Frau“. Ihre Vorstellung war, die männlich geprägte Welt mit all ihren Fehlentwicklungen durch den weiblichen Kultureinfluss zu verbessern.
Während des 1. Weltkrieges zog sie zusammen mit ihrer Lebensgefährtin Gertrud Bäumer nach Hamburg und 1919 kandidierte sie erfolgreich als Mitglied der DDP (Deutsche Demokratische Partei) für die Hamburger Bürgerschaft. Als Alterspräsidentin eröffnet sie die konstituierende Sitzung mit den Worten: „Meine Herren und Damen“.
Helene Lange starb am 13.5.1930 in Berlin, ihr Begräbnis fand unter großen Ehren statt. Ihr Engagement hat entscheidend dazu beigetragen, Frauen das Studium in Deutschland zu ermöglichen und ihnen Berufsmöglichkeiten zu eröffnen.
Der Schulleiter des Helene-Lange-Gymnasium Holger Müller beschreibt die Frauenrechtlerin wie folgt: "Helene Lange galt als „Bismarck im Frauenstaat“, denn sie war eine starke Führungspersönlichkeit und kämpferisch, sie besaß Scharfsinn und war eine gute Realpolitikerin. Sie hatte angesichts der gegebenen Machtverhältnisse ein ausgeprägtes Gespür für das Machbare.“
Text: Marion Bauer
Bilder: Archiv Helene-Lange-Gymnasium/ M.Bauer