100 Jahre Frauenwahlrecht
1919 war es soweit: Frauen konnten wählen und gewählt werden. Die Einführung des Frauenwahlrechts ist den Frauen aber nicht geschenkt worden! Frauen waren während des Krieges in Männerberufen tätig. Dies hat aber nicht quasi von selbst zur politischen Teilhabe der Frauen geführt. Erst das jahrzehntelange Aufbegehren von Frauen verschiedenster Herkunft gegen die verbreitete männliche Arroganz, die Frauen eine verminderte Intelligenz attestierte, führte zu diesem Erfolg. Jetzt schließen wir unsere Serie mit dem Bericht über eine Anhängerin des revolutionären Flügels ab.
Teil 3: Erna Halbe, geb. Demuth
Erna Halbe wurde 1892 in Hamburg in eine Zeit des Umbruchs hineingeboren: Deutschland war auf dem Weg vom Agrarland zu einer bedeutenden Industrienation. Die Anzahl der Fabriken stieg rasant an und mit ihnen die Anzahl der Arbeiter, die höchst unsicheren Lebens- und Arbeitsbedingungen ausgesetzt waren. Frauen mussten zu Hungerlöhnen mitverdienen. Sie organisierten sich in Vereinen und in enger Zusammenarbeit mit der Sozialdemokratie. Die Arbeiterinnen sahen sich aufgrund ihres Geschlechtes und ihrer Klassenzugehörigkeit zweifach unterdrückt. Für sie gehörte der Kampf um die Gleichstellung der Frau zum Kampf um eine Neuordnung der gesamten Gesellschaft.
Erna wurde als Tochter eines Kürschners geboren, ein Gewerkschafter und SPD-Funktionär. Im Hamburger Fröbelhaus, damals Bundesstraße 41, erlernte sie ihren Beruf als Kindergärtnerin. Schon früh engagierte sich die junge Frau in der SPD, wurde jedoch zusammen mit ihrem Ehemann Max Halbe ausgeschlossen, als sich beide gegen die Kriegskreditbewilligung aussprachen. Im März 1918 fiel Max Halbe im Krieg. Zur gleichen Zeit wurde Erna wegen Landesverrats zu 30 Monaten Zuchthaus verurteilt, weil sie Anti-Kriegs-Flugblätter verbreitet hatte.
Der politische Machtwechsel 1918 bedeutete für die Pazifistin die Befreiung aus dem Zuchthaus. Sofort schloss sie sich der Revolution an: sie war Mitbegründerin der KPD in Hamburg und gehörte als einzige Frau dem Arbeiter- und Soldatenrat an. 1921 wurde Frau Halbe in die Hamburger Bürgerschaft gewählt. Mehrere Jahre lang arbeitete sie als Frauensekretärin für die KPD. Sie wurde aber 1929 als Rechtsabweichlerin ausgeschlossen, als sie den Kurs der KPD, der die SPD zum Hauptfeind erklärte, nicht mittrug. Das Erstarken der Nationalsozialisten zwang die Aktivistin ins Exil. 1950 kehrte sie mit ihrem zweiten Ehemann Joseph Lang nach Deutschland zurück und trat 1951 in Frankfurt/Main wieder der SPD bei. In Frankfurt starb Erna Halbe 1983.
In den letzten 100 Jahren haben sich Frauen viele Rechte erkämpft. Bildung für Mädchen wird nicht mehr in Frage gestellt, gleichwohl sinkt der Frauenanteil auf den höheren Sprossen der Karriereleiter. Diskriminierung, Sexismus und Ungleichheit sind noch nicht überwunden – da geht schon noch was!
Text - Quellen:
https://www.dhm.de/lemo/kapitel/kaiserreich/innenpolitik/frauenbewegung.html
https://www.hamburg.de/clp/frauenbiografien-suche/clp1/hamburgde/?BIOID=3291&bezirke=3&qR=H
https://geschichtsbuch.hamburg.de/epochen/industrialisierung/
Bilder: Wikimedia/Karl Maria Stadler, Karl Dietz Verlag
Text: Marion Bauer