EBV-Schnappschüsse
   

Thea Louise Schönfelder - die erste Frau in Deutschland mit einem Lehrstuhl (im UKE)

Noch vor 150 Jahren waren Frauen keine mündigen Menschen. Nach den damaligen Klischees galt das weibliche Geschlecht als „zart, schwach, delikat, nervös, leicht kränklich, leiden zumal an Kopfschmerzen“ und „zu jeder Form logischen Denkens unbegabt“.

Heute erwerben mehr Frauen als Männer einen Hochschulabschluss (Statistik 2018). Zumindest im Bereich der Bildung ist die Chancengleichheit erreicht. Frauen dringen in Berufe vor, die bislang reine Männerdomänen waren. In Hamburg erhielt 1950 die erste Notarin ihre Zulassung, 1953 startete zum ersten Mal ein Mädchen ihre Bäckerlehre und 1970 wurde Thea Schönfelder als erste Frau Deutschlands auf einen Lehrstuhl für Kinder- und Jugendpsychiatrie am UKE berufen.

Thea Louise Schönfelder wurde 1925 in Hamburg geboren. Ihr Vater Adolph Schönfelder war damals Innensenator in der Hamburgischen Bürgerschaft. Als SPD-Mitglied geriet er ins Fadenkreuz des Nazi-Regimes. Diese Jahre der Gefahr und Verfolgung überschatteten die Jugend der Tochter und wurden zu einer prägenden Erfahrung. Nach dem Krieg studierte sie Medizin, 1958 begann ihre Tätigkeit in der Klinik für Psychiatrie des UKE, 1966 habilitierte sie zum Thema Täter-Opfer-Beziehung bei Sexualdelikten an Kindern.

In der Nachkriegszeit war die „schwarze Pädagogik“ die vorherrschende Erziehungsform: Lehrer und Eltern hielten die Prügelstrafe für ein probates Mittel, sexueller Missbrauch wurde unter den Teppich gekehrt. Die Kinderverschickungen an die See wurden für manche Kinder zum Trauma anstatt zur Erholung.

Umso wichtiger war die Arbeit von Dr. Schönfelder. Sie gehörte zur ersten Generation der deutschen Kinder- und Jugendpsychiater und gilt als Pionierin in den Bereichen Familientherapie und konzentrative Bewegungstherapie: Über Berührungen und symbolische Bezüge versuchte sie, Zugang zu Patienten zu gewinnen, die völlig verstummt waren.

Mit 62 Jahren beendete die Ärztin ihre berufliche Karriere und startete ein intensives Privatleben: Sie sang im Chor St. Nikolai und versuchte sich in kreativem Schreiben, leitete Seminare in der Seniorenakademie und genoss Ihre Rolle als Großmutter. Im Juli 2010 verstarb Prof. Dr. med. Thea Schönfelder im Alter von 85 Jahren. Sie ist auf dem Friedhof Ohlsdorf im Garten der Frauen beigesetzt.

Text: Marion Bauer (erschienen in der März-Ausgabe des Eppendorfers) 03_2022
Bild: Wikimedia Commons